Schonmal etwas von dem Default-Effekt gehört? Forschende fanden heraus, dass sich durch diesen Effekt Haushalte und Unternehmen dazu bewegen lassen, nachhaltig produzierten Strom zu nutzen.
Konsument*innen können selbst entscheiden, woher sie ihren Strom beziehen und ob sie eine ökologische Variante wählen möchten. Trotzdem nutzen nur wenige diese Option. In der Schweiz bedienten sich zwei Stromversorger des Default-Effekts: Sie legten den grünen Strom als Standardkategorie fest, sodass jede*r Konsument*in grünen Strom bezieht, es sei denn sie entscheiden sich aktiv dagegen und wechseln zum herkömmlichen Strommix.
Aber was ist der Default Effekt?
Aus dem englischen default = Vorgabe, Voreinstellung, also die Standardeinstellung. Der Effekt ist eine kognitive Verzerrung. Eine übermäßige Bevorzugung derjenigen Option, bei der ein*e Akteur*in keine aktive Entscheidung trifft. Sehr verlockend und bequem. Die meisten Menschen bleiben beim Standard und treffen keine Auswahl. Warum das so ist? Zum einen denken die Nutzer*innen, dass es sich um eine implizite Empfehlung handelt. Es wird seine Gründe haben, warum der oder die Anbieter*in diese Option voreinstellt. Zudem ist eine Veränderung mit einem höheren Aufwand verbunden. Die Nutzer*innen haben einen Mehraufwand und müssen sich für Optionen entscheiden, sollten sie nicht die Standardeinstellung nehmen. Ein weiterer Grund ist die kognitive Verzerrung. Der Mensch verlässt sich auf ein automatisches System. Menschen bevorzugen oftmals den Status quo beizubehalten und beim Bestehenden zu bleiben, als etwas zu verändern.
Nachhaltig aus Bequemlichkeit?
Forschende der ETH Zürich und der Universität Warwick in Großbritannien begleiteten die Schweizer Stromversorger bei ihrer Aktion und konnten nachweisen, dass private Haushalte, Selbstständige sowie kleine und mittlere Unternehmen eher nachhaltig produzierten Strom beziehen, wenn ihr Elektrizitätsanbieter diesen als Standardangebot definiert. Bei dem Versuch erhöhte sich der Preis um rund vier bis acht Prozent für private Haushalte und für Geschäftskunden um die sechs bis 14 Prozent. Die Kund*innen erhielten die Information, dass sie die Möglichkeit hätten zu ihrem Mixstrom und den alten Tarif zurückwechseln zu können. Doch über 80 Prozent blieben bei dem teuren Standardprodukt aus Ökostrom. Das ist vor allem vor dem Hintergrund beeindruckend, denn vor der Umstellung hatten weniger als drei Prozent die saubere Variante mit 100% Grünstrom gewählt. Bei Geschäftskund*innen stieg der Anteil erneuerbarer Energien auf bis zu 84,7 Prozent. Die Kundendaten sind mittlerweile bis zu sechs Jahre alt, was zeigt, dass der Effekt von Dauer ist. Die Zahlen fielen nur um wenige Prozent. Derselbe Effekt tritt bei neuen Kund*innen auf. Diese wählen zu mehr als vier Fünfteln das teurere Standardprodukt.
Riesige Einsparpotenziale
Laut Studie ließe sich der Ausstoß von 45 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr in Deutschland vermeiden, würden Stromanbieter Grünstrom zum Standardprodukt machen und wie in der Schweiz 80 Prozent der Kund*innen dabeibleiben. Und das errechneten die Forscher*innen nur für private Haushalte. Somit wäre der Effekt wahrscheinlich noch größer, berücksichtigt man auch die Unternehmen.
An sich eine gute Sache, wenn wir dadurch die CO2 Emissionen erheblich senken können und mehr Menschen grünen Strom beziehen. Aber Entmündigen wir dadurch den Konsument*innen in ihrer Entscheidungsfreiheit und Selbstverantwortung? Es ist ein Schritt in Richtung Klimatransformation. Anstelle der bisher vor allem betriebenen Kompensation, geht es hier um eine tatsächliche Veränderung in Unternehmen und privaten Haushalten.
Und die Menschen wären damit einverstanden: Eine Schweizer Umfrage, ob Stromanbieter verpflichtet sein sollten, Grünstrom als Standardprodukt anzubieten, befürworteten 76% der Befragten.
Autorin: Luisa Desch
Quellen:
Bildquelle: Matthew Henry, unsplash